Insulaner, Norderneyer oder Ostfriese?

Daß Norderney zu den ostfriesischen Inseln gehört, wissen Sie längst. Erinnern Sie sich an die Namen der anderen Inseln? Ein Tip: Welcher Seemann Liegt Bei Nanni Im Bett? Die Anfangsbuchstaben stehen für die Initialen der Inselnamen.

Die Norderneyer werden nicht gern Ostfriesen genannt, obwohl sie es natürlich sind. Der Fachmann unterscheidet drei Kategorien, wenn er von Ostfriesen spricht. Da sind zunächst die Agrar-Ostfriesen, die im Landesinneren wohnen und als eher ruhige und gemütliche Typen bekannt sind. Hier wird noch der plattdeutsche Dialekt als Umgangssprache gepflegt, der sich von Dorf zu Dorf unterscheidet. Für Zugezogene ist es mangels geeigneter Sprachkenntnisse nicht unbedingt einfach, Zugang zu den Nachbarn zu bekommen. Hochdeutsch ist allenfalls Fremdsprache. Man ist Mitglied in einem der vier überall vorhandenen Vereine - Feuerwehr, Landjugend, Schützenbund und Fußballverein - und da jeder Verein mindestens zwei Feste im Jahr ausrichtet und man sich zudem gegenseitig reihum besucht, ausreichend beschäftigt. Heutzutage wird leider immer weniger Geld mit Landwirtschaft verdient, weswegen viele Festlandsostfriesen bei VW in Emden oder auf der Papenburger Meyer-Werft arbeiten - bei beiden Betrieben lohnt sich übrigens ein Besuch.

Ganz anders sind die Küsten-Ostfriesen. Sie melken nicht nur ihre Kühe im Nebenerwerbsbetrieb, sondern auch Touristen, für die sie kleine Fremdenzimmer mit Frühstück und manchmal sogar Halbpension vorrätig halten. Dritter Erwerbszweig ist die Küstenfischerei, die in vielen Orten - Bensersiel, Greetsiel, Neßmersiel usw. - noch verbreitet ist. Und sie sprechen hochdeutsch, wenn auch mit unverkennbarem Akzent.

Die Insulaner dagegen kennen schon seit mindestens 40 Jahren Kühe nur noch aus der Milka-Werbung und Fisch kauft man im Laden. Dafür haben Sie von April bis Oktober Gäste, die sie liebevoll umsorgen mit allem, was gut ist: Kultur, Küche, gepflegte Landschaft und neuerdings viel "Wellness". Ist man in dritter Generation mit einer insularen Deern verheiratet und natürlich im lokalen Kreißsaal zur Welt gekommen, darf man sich Norderneyer nennen. Erfreulicherweise sprechen die Insulaner fast akzentfreies Hochdeutsch und allenfalls unter sich einen Dialekt, den auch unsere Nachbarn hinter den Festlandsdeichen nicht immer und sofort verstehen.

Untereinander, also von Insel zu Insel, gibt es wenig Verbindung, da die Fährschiffe alle Richtung Festland fahren und so die Berührungspunkte eher gering sind. Jedes Jahr im Winter richtet eine Insel ein Treffen der Heimatvereine aus, wie zu hören ist eine sehr stimmungsvolle Veranstaltung, die zur interinsularen Verständigung beitragen soll. Mittlerweile haben die Gemeinden entdeckt, dass die Interessen ganz ähnliche sind wenn es etwa um die Verteilung von Fördermitteln aus EU-Töpfen geht oder den Kampf gegen die Nationalparkgesetzgebung, die oft eine recht restriktive Wirkung auf das Leben der Einwohner hat. So hat man Interessensverbände gegründet und ist damit in Berlin und Brüssel vorstellig geworden. Neuerdings hat man sog. Botschafter der Inseln ernannt, die national für Wangerooge, Spiekeroog, Langeoog, Baltrum, Norderney, Juist und Borkum werben sollen, ein echter Marketinggag.

Auf Norderney ist es bis jetzt gelungen, das chronisch defizitäre Krankenhaus zu erhalten. Ein Wunder, denn die Politik will nicht verstehen, dass 35.000 Leute im Sommer Anspruch auf adäquate medizinische Versorgung haben. Es ist nun mal nicht so einfach, jederzeit einen Krankenwagen zum nächsten Hospital in Norden in Marsch zu setzen. Notwendige Hubschraubertransporte sind letztlich teurer als der Erhalt unserer Klinik. Die spezielle Lage der Inseln sollte das sein, was ein FDP-Bundestagsabgeordneter unlängst als klassischen Ausnahmefall bezeichnete - wie wahr! Mittlerweile hat sich aus der Not geboren ein Unterstützerverein gebildet, der die Einrichtung auf der Insel erhalten will. Da wir (noch) einen guten Gynäkologen (mit Bootslizenz!) und eine prima Hebamme unser Eigen nennen, kommen mittlerweile die Nachbarinnen aus Juist und Baltrum zu uns, damit ihr Neugeborenes auch ein echtes Inselkind wird. Und wie finden wird das?? Guuut...

Apropos Kinder: Auf Norderney kann man heiraten. Ja, doch, das ist möglich! Und erfreut sich ausweislich der Aushänge am Rathaus steigender Beliebtheit. Auch wenn die Katholiken der Insel im Winter in der Diaspora leben, so füllen sie doch im Sommer dank ihrer nordrhein-westfälischen Gäste mühelos gleich zwei Kirchen. Die Stella Maris ("Meerstern" als Bezeichnung für Maria als Schutzpatron der Seeleute und Stern, der den Nautikern den Weg weist) in der Goebenstraße und die kleine Inselkirche in der Friedrichstraße am Denkmal sind ebenso beliebte Hochzeitsorte wie die evangelische Kirche mit ihrem maritimen Flair. Standesamtlich wird im Rathaus am Kurplatz, im restaurierten historischen Badekarren am Weststrand oder in der Hochtijdstuv des Heimatvereins im idyllischen Argonnerwäldchen das Ja-Wort getauscht. Romantischer geht's eigentlich nicht...

Auf Norderney kann man auch zur Schule gehen. Das Seehospiz, das sich auf die Behandlung von Haut- und Atemwegserkrankungen von Kindern spezialisiert hat, unterhält ein eigenes Internat, das in Verbindung mit der lokalen Realschule auch eine gymnasiale Stufe anbietet. Die Insulaner selbst scheinen in den dunklen Monaten doch anderes zu tun zu haben, denn die Einschulungsrate geht leider seit Jahren wie auch der Bundesdurchschnitt zurück. Schade eigentlich.

Schon Anfang des vorigen Jahrhunderts unterhielten die Landkreise, die vor den Toren des Ruhrgebiet liegen, auf den Inseln Kinderkurheime. Anläßlich einer vor kurzem stattgefundenen Ausstellung zu deren Geschichte meldeten sich viele "Ehemalige" und berichteten von ihren nicht immer nur positiven Erfahrungen. Natürlich war das Erziehungskonzept damals ein anderes, die fremde Umgebung und das Heimweh waren sicherlich Ursache für manche Träne, aber das unbeschwerte Spielen am Strand und die gesundheitsfördernden Anwendungen machten die Kur zu einem wichtigen Bestandteil der damaligen Jugendfürsorge. Und man darf nicht vergessen, dass sich viele Arbeiter einen Urlaub an der Nordsee schlicht nicht leisten konnten. Heutzutage kann man in den Ferienheimen des Westerwaldkreises, Iserlohn und Detmold sowie des Jugendwerks Münster als kleine Familie oder Alleinerziehende für vergleichsweise kleines Geld kostengünstig Urlaub machen. Sogenannte Mutter-mit-Kind-Kuren sind für gesundheitlich angegriffene Kinder besonders wichtig, da hat sich doch so einiges getan. So wird der Aufenthalt auf Norderney auch für diese zu einem rundum positiven Erlebnis.