F wie Flaggen

Die Insulaner haben ohne Frage einen Flaggentick, anders kann man es nicht nennen. Kaum ein Vorgarten, so scheint es, kommt ohne Fahnenmast aus, in den Kleingärten ist Flaggezeigen nahezu patriotische Pflicht. Nicht nur zur Fußball-Weltmeisterschaft wird die bundesdeutsche Nationale gesetzt, nicht selten mit der "fetten Henne", dem Bundesadler als Emblem. Ich finde es schön zu sehen, dass wir mittlerweile neben einem regional- auch ein gesundes Nationalbewusstsein bekommen und erinnere mich nur ungern daran, dass in meiner Schulzeit die Jungs die Flaggen von ihren grünen Bundeswehrparkas kratzten, ich fands damals absurd, zur Friedensdemo mit BW-Anoraks aufzulaufen, aber seis drum.

Die ostfriesische Flagge ist schwarz-rot-blau quergestreift, also fast wie unsere Nationale, nur eben mit einem blauem Streifen. Böse Zungen behaupten, dass dieser für den Allgemeinzustand der Ostfriesen stehe, was aber natürlich Quatsch ist: Von zuviel Tee kann man nicht blau werden. Er steht bestimmt für die Küste, ganz unten, aber immerhin! Ebenfalls ein böses Gerücht ist es, dass es eine ostfriesische Kriegsflagge gäbe, die üblicherweise im Garten an einer handelsüblichen Wäscheleine ausgehängt wird, zu sehen sei ein weißer Adler auf weißem Grund...

Ostfriesland umfasst den Bereich der Landkreise Aurich, Leer und Wittmund sowie der kreisfreien Stadt Emden und war früher eine der sieben friesischen Provinzen. Vom niederländischen Ijsselmeer entlang der Küste bis hinüber zur Weser ziehen sich die friesischen Seelande - manche behaupten, dass auch Nordfriesland im heutigen Schleswig-Holstein dazu gehörte, nunja, da sind wir großzügig.

Nicht zu Ostfriesland gehören heute die angrenzenden Kreise des Oldenburger Landes, also das Saterland bei Cloppenburg (obwohl nur dort noch das Saterfriesische als Dialekt einer ostfriesischen Sprache gesprochen wird, die sich vom ostfriesischen Plattdeutsch, also einem niederdeutschen Dialekt, deutlich unterscheidet), das oldenburgische Ammerland und der Kreis Friesland rund um Jever und Wilhelmshaven (von dort aus gesehen liegt Ostfriesland im Westen...), sowie das im Süden angrenzende Emsland - die Bewohner dort Ostfriesen zu nennen zieht meist eine Tracht Prügel nach sich.

Umgekehrt sind die Ostfriesen mittlerweile recht stolz auf ihre Fahne, ihre Eigenarten, ihren Landstrich. Wenn man etwas genauer hinguckt, findet man ne Menge Kultur, Entdeckenswertes und vor allem Lebensqualität, das geht bei den niedrigen Grundstückpreisen los, geht über die Jahrhunderte lang gepflegte Orgelbautradition und endet bei der ausnehmend sauberen Luft. Viele Städter ziehen insbesondere nach der beruflich aktiven Zeit aufs Land, an die Küste und auf die Inseln. Durch die stündlichen Bahnverbindungen und die beiden Autobahnen sind wir schnell wo immer wir auch hinwollen - Ostfriesland hat sich zum Touristenziel gemausert, der Weg dahin war schwierig genug, aber von Jahr zu Jahr sieht man es weiter blühen und gedeihen. (Bild der Ostfriesenuhr, die geht "anners rum")

Aber zurück zur Flagge. Sie zeigt wie erwähnt drei Streifen, die für die alten Häuptlingsgeschlechter stehen. Auch das oft in der Flagge geführte ostfriesische Wappen ist zusammen gesetzt aus den Wappen der sechs wichtigsten Adelsgeschlechter. Die Inseln spielten in jenen Tagen keine Rolle, denn die Fischer zogen von ihren Dörfern auf dem Festland los, da die Inseln allenfalls bessere Sandbänke und damit noch nicht geeignet zur Siedelei waren. Der Wahlspruch Eala Frya Fresena lässt sich wohl am besten mit "(Steht) auf (ihr) freien Friesen" übersetzen.

Hin- und wieder sieht man auch eine blau-weiß-diagonal gestreifte Flagge mit sieben Herzchen aufgezogen. "Ach wie süß!" rufen dann die Touristen und sind ganz hingerissen von soviel Romantik. Aber auch hier liegen sie falsch: Die Herzchen sind in Wirklichkeit Seerosenblätter und stehen für die sieben... Na, haben Sie aufgepasst?? Die Flagge selbst steht für die niederländische Provinz Friesland, die Sie am Ostufer des Ijsselmeers finden.

Die Norderneyer haben natürlich eine eigene Flagge, die blauen Streifen stehen für das Meer, die weißen für den Strand und die schwarzen Blöcke nicht für die Sprenkel auf der Seele der oft als Strandräuber verkannten Insulaner, sondern für das ehemals aus schwarzem Holz errichtete Wahrzeichen der Insel, dem Kap. Dieses wiederum diente den Seefahrern zur Identifizierung, denn von See aus sahen alle Inselchen ähnlich aus, da sich die Häuser üblicherweise hinter die schützenden Dünen und Deiche duckten. Die Ähnlichkeit mit der Bremer Stadtflagge, die etwa unser dort registriertes Rettungsboot Bernhard Gruben am Bug führt, ist Absicht, denn viel Insulaner fuhren einst auf den Handelsseglern der Bremer Kaufleute in die Welt hinaus und kehrten Jahre später mit einem gewissen Wohlstand auf die Insel zurück. So ist die Aufteilung unserer Flagge eine Reminiszenz an die Stadt an der Weser.