Manfred! Huhu Maaanfred!! Hiiier bin ich, guck mal, ich winke Dir, iiich bins!

Nicht weit von mir steht eine blonde Schönheit barfuß auf einer Buhne, so eine wo es uns Männern schwer fällt, nicht hinzugucken. Die Dame schreit gegen die Brandung an was die Kehle hergibt, wobei sich auf den ersten Blick nicht erraten läßt, mit wem sie eigentlich spricht, denn abgesehen von uns beiden ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen.

Maaanfred, huhuuu!

Ok, jetzt sehe ichs, sie führt keine Selbstgespräche, sondern hat ein Händi in der Hand, den Knopf im Ohr, Manfred ist offenbar am anderen Ende, wobei sie sich bei der Lautstärke eigentlich auch das Händi schenken könnte, denn Manfred steht unweit auf der Promenade, ebenfalls mit so einem Dings am Ohr, das jemand mal die "Pest des 21. Jahrhunderts" genannt hat. Treffend.

Huhu Maaanfred, ich bin hiiier, auf der Buhne, schräg rechts, äh, links von Dir, siehst Du mich winken??

Nunja, so ein Händi ist eine tolle Sache. Auch Katja werde ich wohl demnächst mit einem dieser Dinger, ohne die der Mensch nicht mehr leben zu können scheint, hierher zu meinem Strandkorb lotsen.

Waaas? Ich versteh dich so schlecht, es ist sooo laut hier!

Das ist auch kein Wunder, denn es ist fast Hochwasser und die Beine der hübschen Schönheit werden immer wieder von den heranrollenden Wellen genässt, ein ziemlicher Lärm ist das tatsächlich. Ups, da kommt schon wieder eine, die Steine sind glitschig wenn sie nass sind.

Waaas? Ob ich schon Bilder gemacht habe? Na klar, alleine gestern, ich glaube dreihundertfünfzig oder so. Ich mußte schon eine neue Speicherkarte einlegen. Was hast du gesagt? Ich verstehe dich so schlecht...

Und ich verstehe nicht, warum die Leute einerseits Telefongespräche mit absolut belanglosem Inhalt und andererseits so laut führen müssen, daß alle Umstehenden wohl informiert über Liebe, Lust und Allgemeinzustand des Telefonjunkies werden.

Waas? Ich soll was machen? Von dir? Ach so, ja, einen Moment, warte, ich muß den Apparat erst aus dem Rucksack...

Nein, es ist keine Schadenfreude, das Mädchen tut mir auch im Nachhinein gesehen echt leid, aber manchmal glaube ich doch, daß es einen gibt, der Gerechtigkeit wallten läßt: Wieder rauscht eine Woge heran, die schuhlose Schönheit, gerade dabei, sich mit einer Hand den Rucksack von den Schultern zu ziehen, verliert das Gleichgewicht, stolpert, fällt unsanft mit dem Po auf den glitschigen Basalt, die Welle schäumt, das T-Shirt klebt, das Händi hat sie vor Schreck losgelassen, fällt samt Ohrkabel in die zurückrauschenden Fluten, der Rucksack ist pitschepatsche nass, die Kamera ist hin, die Nordsee um ein Händi reicher...

Abgesehen von einem Riesenschreck und einigen blauen dekorativen Flecken ist der Schönheit nichts geschehen, Buhnen können ganz schön gefährlich sein, wäre sie mit dem Kopf aufgeschlagen hätte das böse enden können.

So beginnt für Maaanfred und seine Holde nun die schönste Zeit des Jahres: Ohne Fotoapparat.

Und vor allem: ohne Händi...