besonderer Tee

Sach eben, wie willst du deinen Tee?

Wie eine schöne Frau natürlich: blond, süß und heiß, was für eine Frage!?

Freerk ist Teekenner. Und natürlich kann er jede Sorte schmecken. Meint er zumindest. Nun, das schreit natürlich nach einer Probe. Den Tee, mit dem meine Mutter mich quasi gesäugt hat, erkenn ich aus Tausenden, ist doch klar! Freerk leidet nicht an zuwenig Selbstbewußtsein. Thiele natürlich, der einzig Wahre stellt er fest, Thiele und keinen anderen. Na, dann kommt man heute nachem schöfeln in meine Bude lade ich die ganze Meute ein, die frierend auf dem Emder Tief steht, einem der vielen Kanäle, die Stadt und Land durchziehen und im Januar '88 zugefroren sind. Mann, ist das schön, kilometerweit durch die Landschaft auf Schlittschuhen zu gleiten, in diesem oder jenem Dorf einen Glühwein zu nehmen, dann noch einen und zum Abschluß natürlich noch einen. Und dann mit dem Überlandbus (weil gegen den steifen Ostwind) nach Hause gefahren zu werden, das ists!

Ich gebe ja zu, ich bin mit Freerk (übrigens einer der vielen schönen friesischen Vornamen) schwer befreundet, aber ein bißchen Spaß muß doch sein, oder? So habe ich das Gespräch quasi beiläufig auf sein "Spö-zi-ahl-Thema" gelenkt und nun hab ich ihn an der Angel! Um 5 also bei mir werfe ich in die Runde und alle nicken. Ob Steffi wohl ahnt, was ich vorhabe? Zumindest grinst sie ganz "un"auffällig und ist auch die erste, die in der Tür steht. Darauf hätte ich auch selbst kommen können, du Schlingel, kann ich dir irgendwie helfen? Natürlich kann sie das, sie soll die Teetütchen auf dem Regal arrangieren. Und mit Nummern versehen. Da stehen sie nun einträchtig nebeneinander: Büntings Grünpack, Thiele silber, Onno Behrends Gold, dazu die Ostfriesenmischungen des Bremer Teekontors, von Gschwendtners Teeladen und schließlich die Teebeutel von Teekanne aus Düsseldorf. 6 Mugs stehen auf dem Tisch, darin je ein Löffelchen Tee. Freerk und die Meute können also kommen.

Da sind sie schon, es klingelt und sie stapfen durchs Treppenhaus - Ausziehen!! Ich hab Teppichboden, der Schneematsch soll vor der Tür bleiben. So sucht sich jeder auf Socken ein Plätzchen, die ersten Wetten werden abgeschlossen, ob Freerk wohl seinen "Säuglingstee" erkennen wird? Denn der Preis für ihn ist hoch: Wer hoch pokert fällt eventuell tief. Und irgendwie hab ich das Gefühl, daß sich Freerk nicht ganz wohl in seiner Haut fühlt, oder täusche ich mich da? Er ist doch sonst nicht so still...

Freerk, wie willst du deinen Tee? Natur, lautet die Antwort des Experten, ich muß ja was schmecken. Ayeaye, sollst du haben kommt es aus der Küche und schon steht Steffi mit dem dampfenden Wasserkessel in der Tür, gluckgluckgluck gießt sie den heißen Stoff in die hohen Porzellantassen, und dann ist der große Moment gekommen. Ich hab entsprechende Nummern unter die Mugs geklebt, also, Freerk, welcher ist nun der Thiele-Tee?

Freerk setzt sich an den Tisch, ganz der Kenner riecht er zunächst an diesem, dann an dem Mug, da mustert er gleich zwei aus, die riechen gar nicht, kein Aroma. Schnell räume ich die Mugs weg bevor einer fragt, welche Sorten Freerk als geruchsneutral verworfen hat. Jetzt schlürft er aus jedem der vier verbliebenen Becher ein Schlückchen, geräuschvoll saugt er das goldene Nass, die ostfriesische Droge, wie mein Chef den Tee zu nennen pflegte, durch die Zähne wie er es von professionellen Weintestern im Fernsehen gesehen hat. Der auch nicht, ist mir zu sauer. Also wieder ein Mug weniger, ab in die Küche, drei sinds damit noch.

Nun wird die Sache schwierig. Freerk ist hoch konzentriert, ganz und gar in die Welt des Geschmacks, des Ostfriesentees versunken. Aber irgendwie dämmert ihm, daß es doch schwerer ist als gedacht. Ach was, da hilft nur Gottvertrauen und Mut. Einer von dreien, die Quote beim Lotto ist viel schlechter. Vielleicht hat er ja Glück und trifft den richtigen.

Dieser da, ganz bestimmt, das ist er. Den hat mir meine Mutter meine ganze Kindheit lang eingeflößt. Ich bestehe quasi zu einer Hälfte aus Thiele-Tee... Mutig, mutig, was Freerk da vom Stapel läßt - was, wenn er nun falsch liegt?

Na, dann kann ich die beiden ja abräumen. Freerk hat sich ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt, und damit die Spannung steigt darf er erst unter den Mug gucken wenn alle mit Tee versorgt sind. So setze ich schnell neues Teewasser auf und knibbele bei der Gelegenheit die Nummern von den Mugs ab - ab in den Mülleimer damit. Kandis (= Kluntjes) und Sahne (= Room) stehen schon auf dem Tisch, bald haben auch die anderen Genossen das dampfende Gesöff in der Hand. Nun ist es fast soweit, Freerk hampelt schon ganz hibbelig auf seinem Stuhl herum.

Und? Nummer 3, sag ich doch! Thiele, was sonst? Man hört buchstäblich die Steine von seinem Herzen plumpsen, Freerk ist gleich wieder oben auf: Thiele schmeck ich aus Tausenden raus! Tatsächlich hat er den Mug in der Hand, der die Nummer des Silberpacks auf dem Regal trägt. Alle klatschen und Freerk ist der Held des Tages. Jetzt gibt er 'blond und süß' in den Tee und lustig knistert der Kandis während das obligatorische Wulkje, die Sahne, im Mug aufsteigt. Arne, zum nächsten Geburtstag schenken wir dir richtige Teetassen, ostfriesische Rose natürlich. Freerk schwimmt ganz oben!

Da kommt Steffi aus der Küche, sie setzt sich ganz nach hinten in die Ecke und kann sich ein heftiges Grinsen nicht verkneifen. Na klar, Neugier - dein Name ist Frau. Das konnte ja nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Aber sie hält dicht, alle Achtung, das ist wahre Freundschaft!

Nun denn, das mag 20 Jahre her sein, da stehen wir wieder mit Freerk, Steffi und ein paar anderen aus der alten Clique am Glühweinstand am Emder Ratsdelft. Immerhin, 20 Jahre hat Steffi dicht gehalten, jetzt tritt sie mich heftig und unfreundlich unter dem Stehtisch gegen das Schienbein als Freerk die alte Geschichte wieder auspackt. Er habe damals aus miiindestens 15 Sorten die richtige Tasse herausgeschmeckt. Und dann hält es mich nicht mehr, Freundschaft hin, Freundschaft her. Sag mal Freerk, weißt du eigentlich, was du damals getrunken hast?? Steffi platzt fast vor Vergnügen, Freerk erstarrt dagegen - langsam dämmert ihm, daß damals nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Aber nun muß er ganz ganz stark sein: Freerk, in allen Tassen war der gleiche Tee. Und unter allen Mugs klebte die gleiche Nummer, die 3. Und weißt du was - drin war alles andere, nur kein Thiele... Schallendes Gelächter, auch Freerk nimmt es sportlich und lacht sich halb kringelig. Darauf einen Glühwein ruft er und bestellt gleich eine ganze Runde.

Glaubt mir, es wurde noch eine sehr sehr fröhliche Gesellschaft an diesem Vorweihnachtsabend vor dem Emder Rathaus...