Let's dip !!

Traditonen sind ja etwas Schönes, leider kommen sie langsam aus der Mode, aber manchmal geben sie auch Stoff für eine prima Geschichte her. Diese erzählte mir ein Norddeicher Wassersportfreund, von dem ich den Verdacht habe, dass er am Ablauf beteiligt war...

Bis in die späten 80er schickte die Bundesmarine regelmäßig zwei oder drei flachgehende Minensucher für ein Wochenende nach Norderney, wo sie einwenig Werbung in eigener Sache machten und Einblick in den Alltag der Marinesoldaten gaben. Beim Open-Ship konnte man herrlich auf den Schiffen herumkraxeln, mehr oder weniger intelligente Fragen stellen ("Fühlen Sie sich eigentlich auf solch beengtem Raum und bei schwerer See wohl??") und vor allem die vorzügliche Bordküche genießen, denn die Smutjes machten immer eine hervorragende Erbsensuppe.

Nun kann man in der maritimen Literatur lesen, dass man beim Passieren eines Kriegsschiffs die Flagge als Gruß kurz senken soll, was von diesem entsprechend beantwortet wird, ein schöner Brauch, wenn auch reichlich aus der Mode gekommen. Ein vom Festland angereister Segler bändselte also seine Nationale beim Einlaufen in den Norderneyer Hafen los und senkte sie vorschriftsgemäß angesichts der gemütlich dahinträumenden Kriegsschiffe, jedoch - nichts passierte! Der konsternierte Segler drehte stehenden Fußes um, fuhr zur Hafenausfahrt hinaus, umkreiste die nächstbeste Fahrwassertonne und lief wieder in den Hafen ein, wieder die Flagge klar zum Gruß. Zweite Chance: Nichts! Die Dickschiffe ignorierten den traditionsbewussten Flaggenfreund.

Kaum im Hafen festgemacht stürmte der Skipper zum Funkgerät und ließ sich auf Kanal 16, dem Not- und Anrufkanal, den jeder Funkbesitzer abzuhören hat, den Kommandanten des kleinen Verbandes freundlich, aber doch bestimmt ans Gerät holen. Dieser wurde wohl aus dem Bett geholt, beim Sektempfang losgeeist oder Essen unterbrochen, es hätte ja etwas Dringendes sein können, jedenfalls ließ sich der fuchsteufelswilde Skipper vom etwas ungehaltenen Kommodore persönlich bestätigen, dass die Tradition des Dippens noch gültig sei und daß er seine drei Wachmannschaften daran nachhaltig erinnern werde.

Das Gespräch auf Kanal 16 war wie es sich gehörte denkbar kurz, aber wie gesagt: Wer immer ein Funkgerät in Betrieb hatte bekam den Wortwechsel natürlich mit. Und wer keines an hatte, der bekam es sofort und brühwarm weitererzählt, ist doch klar.

Für den Rest des Wochenendes hatte die Wachmannschaft der drei Minensucher reichlich zu tun. Der gemütlich-gedachte Törn zu den Inseln verwandelte sich in eine hektische Grüßorgie: Alles was eine Flagge hatte, und das sind in der Hochsaison eine Menge Segler, verließ den Hafen, drehte eine Runde um die nächste Fahrwassertonne, kehrte zurück und senkte die Nationale zum Gruß. Postwendend dippten auch die drei Minensucher vorschriftsgemäß. Einmal, zehnmal, hundertmal, wann immer ein Wassersportler die grauen Schiffe passierte, morgens, mittags, abends, die Flaggen wurden gedippt. Es soll Norderneyer Jugendliche gegeben haben, die sich auf ihre Jollen eine Flaggenhalterung bastelten, um bei diesem Spaß mitzumachen. Drei Tage lang, ein langes Wochenende.

Den Besatzungen der drei Minensucher wird Norderney in guter Erinnerung bleiben: Wohl nirgends auf der Welt wird so fleißig der Streitmacht gegrüßt...